Das Krimifest-Aufenthaltsstipendium der Tiroler Tageszeitung wurde 2021 im Rahmen des vierten Krimifest Tirol an Manfred Rebhandl verliehen. Linda Müller streute dem Autor in ihrer Laudatio rote Nelken. Auch in seinem neuen Buch „Hundert Kilo Einsamkeit“, das im April 2024 erscheint, leuchtet Manfred Rebhandl wieder in die schattigen Ecken Wiens.
Es ist nicht leicht, Manfred Rebhandl gerecht zu werden, umso schwerer in wenigen Zeilen. Denn Manfred Rebhandl ist ein Mann mit vielen Facetten, und jede ist der Rede wert. Einige davon möchte ich hier nun besonders hervorstreichen.
Manfred Rebhandl ist ein Kenner der österreichischen Seele. Und damit meine ich nicht die Wiener-Blut-summende, ballkleidtragende Opernballseele. Ich meine die dunkelsten Ecken unseres Landes und die dunkelsten Stellen in den menschlichen Köpfen, den Abschaum, das Grindige, den Schmutz, all das, was uns mindestens ebenso sehr auszeichnet wie all der Prunk. Nicht umsonst wird Rebhandl von seinen Kritiker*innen zuweilen auch „Drecksau“ genannt. Seine Bücher haben außergewöhnliche Titel, die uns schon ahnen lassen, dass hier Dinge anders laufen. Das Schwert des Ostens beispielsweise, bezugnehmend auf das Arbeitsgerät eines anatolischen Pornostars. Sie bringen die Leser*innen ins Pornokino und ins Dealer-Hinterzimmer, sie konfrontieren mit Sexismus, Rassismus und so einigen anderen unschönen -ismen. Der Fall, die Ermittlung sind da manches Mal fast zweitrangig, es geht um ein hochgradig ehrliches, um ein schonungsloses Sittenbild. Ein Sittenbild ohne Filter, ohne mahnende, einordnende Erzählstimme, direkt durch die Augen seiner Protagonist*innen. Es gibt keine Tabus. Das ist manchmal hochunterhaltsam, an anderen Stellen verstörend. Es tut weh. Und das soll es auch.
Manfred Rebhandl hat Landflucht betrieben, und zwar im doppelten Sinne. Er selbst stammt eigentlich aus Windischgarsten, lebt aber schon lange in Wien. Und nach seinem Protagonisten Biermösel, der in der Ausseer Provinz ermittelt oder es vielmehr versucht, wenn er gerade hinreichend nüchtern ist, liegt Rebhandls Fokus zur Zeit wieder beim Wiener Rock Rockenschaub. Der löst in der Hauptstadt auf alle Fälle alle Fälle, seien sie noch so grausig. Sogar dann, wenn er eigentlich viel lieber im Ottakringer Freibad chillen und die Ladies mit Sonnencreme einölen würde.
Manfred Rebhandl hat es nicht mit braven Held*innenfiguren. Seine Ermittler*innen sind keine glattgebügelten Superman-Charaktere, sie sind nicht hochintelligent und auch nicht selbstlos. Sie sind Menschen, die man vielleicht nicht unbedingt zum Freund oder zur Freundin haben wollen würde, wenn man ihnen denn begegnet. Und sich schon gar nicht einölen lassen von ihnen. Schonungslos nimmt Rebhandl uns mit in den Kopf von all den Biermösels und Rockenschaubs dieser Welt. Dort ist es dämmrig. Und trotzdem ist die Lektüre erhellend.
Manfred Rebhandl fragt nach. Für Zeitungen und Zeitschriften. In Texten und Reportagen. Bei ziemlich spannenden Menschen. So spricht er zB mit Reinhold Mitterlehner über den heiligen Sebastian, mit Stefanie Sargnagel über Penisse, mit Peter Filzmaier über Socken und mit Richard Lugner übers Duschen.
Manfred Rebhandl will in seiner Kolumne für den Standard aber auch wissen, wie es geht. Zum Beispiel von Marc, 28, der gerade sein E-Auto auflädt, und von Edith, 57, die ihr Saxophon liebt. Und von Giovanni, 65, der eigentlich gar nicht Giovanni heißt, aus Ägypten stammt und früher Pferdepfleger war. Giovanni geht es nicht gut, sein Geschäft läuft pandemiebedingt schlecht – und er vermisst das Meer.
Manfred Rebhandl grüßt mit Freundschaft! Und am Ersten Mai zieht er mit gehisster Fahne durch die Stadt. Er ist ein politischer Mensch und ebenso hellsichtiger wie urkomischer Kommentator des Tagesgeschehens.
Manfred Rebhandl hat Alter Egos. Die Lyrikerin Mariandl zum Beispiel. Textprobe:
D’Erna hot den Werna vü gerna.
Ois er sie.
Oisa waunn soi des endlich wos wern mit eahrna?
I glaub sche laungsam: Nie.
Manfred Rebhandl ist das perfekte Krawatten-Model. Das kann man nicht erklären. Man muss es sehen. Auf seiner Facebook-Seite zum Beispiel.
Manfred Rebhandl ist Vater einer Tochter. Die ist noch jugendlich. Schreibt aber auch schon. Der Papa allerdings darf ihre Texte nicht lesen. Was eventuell dafür sprechen könnte, dass sie das Skandal-Talent ihres Vaters geerbt hat. Aber das ist Spekulation.
Ich gratuliere allen Facetten von Manfred Rebhandl zum Krimifest-Aufenthaltsstipendium der Tiroler Tageszeitung!
Superschnüffler Rock Rockenschaub ermittelt in tattrigem Umfeld. Wie jedes Jahr versammelt er seine (Wahl-)Familie am Wiener Zentralfriedhof. Doch diesmal ist alles anders! Nicht genug, dass ein altes Filmchen Pornokinobesitzer Dirty Willi gehörig die Laune verdirbt. Nein, ein alter Freund von Herschel muss auch noch den Löffel abgeben. Da bleibt Rock nichts übrig, als mit Ziegenbock Viktor loszubrettern, um wieder mal den Tag zu retten. Bewaffnet mit Bier und Schokoriegeln löst er in Manfred Rebhandls neuem Buch „Hundert Kilo Einsamkeit“ auf alle Fälle alle Fälle.
Der Beitrag „In den Köpfen der Protagonist*innen ist es dämmrig. Gerade das ist erhellend.“ Eine Laudatio auf Manfred Rebhandl erschien zuerst auf Haymon Verlag.